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Warum‌ ‌lohnt‌ ‌es‌ ‌sich,‌ ‌Taiwan‌ ‌und‌ ‌Japan‌ ‌in‌ ‌einem‌ ‌Rutsch‌ ‌zu‌ ‌besuchen?‌

Wer sich für Ostasien interessiert und einen tieferen Einblick in Kultur und Geschichte dieses dynamischen Erdteils gewinnen will, sollte nicht nur ein einziges Land besuchen. Ich bin der festen Überzeugung, dass gerade die Kombination Taiwan und Japan sehr sinnvoll ist, um ein genaueres Verständnis für nicht nur diese beiden Länder, sondern auch andere Regionen zu erlangen.

Fangen wir mit der Geschichte an: Über Jahrhunderte hat sich die Japanische Kultur stark am großen Nachbarn China orientiert. Viele kulturelle Aspekte spiegeln diese Geschichte des Imports von Ideen und Technologien wider. Allen voran ist hier die Schrift zu nennen: Japan verfügte bis ins 5. Jahrhundert nach Christus über keine eigene Schriftkultur, bis durch den Kontakt mit chinesischen Reisenden deren Schriftzeichen übernommen wurden. Noch heute benutzen die Japaner diese sogenannten „Kanji” (übersetzt: Kan=Chinesisch, Ji=Zeichen) und entwickelten erst viel später aus diesen ergänzend ihre eigenen Silbenschriften. In Festlandchina wurden die uralten Schriftzeichen allerdings im Zuge der Kulturrevolution vereinfacht, wohingegen Taiwan und auch Japan weitgehend noch die traditionellen, sogenannten „Langzeichen” verwenden. Begründet wurde die Vereinfachung in China mit der Förderung der Alphabetisierungsrate, zielte aber im Kern auch darauf ab, die Bevölkerung von älteren Texten, welche nicht der kommunistischen Ideologie entsprachen, und damit ihrer eigenen Kultur abzuschneiden. Diese Politik hatte auch verheerende Auswirkungen auf Baudenkmäler, archäologische Stätten und die Bewahrung von wertvollen Kunstschätzen auf dem Festland. Man kann also in gewisser Hinsicht davon sprechen, dass man im Gegensatz zum Festland in Taiwan noch eine ursprünglichere Variante chinesischer Kultur erleben, und somit auch ein besseres Verständnis des Flusses von Ideen vom chinesischen in den japanischen Kulturkreis entwickeln kann.

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Bodhisattva Vows - miheco (Quelle)

Wir springen in der Zeit ins frühe 20. Jahrhundert und betrachten eine ungleich dunklere Phase in der Beziehung der beiden Länder: Zwar wurde Taiwan von Japan kolonisiert, doch ist die Erinnerung an diese Zeit im kollektiven Gedächtnis überraschenderweise keineswegs nur negativ. Während man in China und Korea immer noch sehr starke Ressentiments gegenüber Japan hegt, betrachtet man die Besetzung in Taiwan auch als Zeit der Modernisierung und des Fortschritts. Als erste Kolonie des Kaiserreichs sollte Taiwan als Schaubild japanischer Fortschrittlichkeit dienen und der Welt beweisen, dass Japan als Kolonialmacht auf einer Stufe mit westlichen Ländern steht. Die Infrastruktur wurde ausgebaut, staatliche Strukturen wurden effizienter gestaltet, es wurde in Bildung investiert und moderne Dienstleistungen wurden erstmals etabliert. Die hierdurch erkaufte Treue mancher Taiwanesen zu ihrer Besatzungsmacht ging sogar so weit, dass sich mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges eine nicht unerhebliche Zahl junger Männer freiwillig zum Militärdienst in der japanischen Armee meldete. Noch heute bekommt man von älteren Taiwanesen beizeiten den Satz zu hören: „Die Japaner haben uns wenigstens modernisiert, die Chinesen haben nur Chaos hinterlassen.” Trotz all dieser positiv besetzten Aspekte der Kolonialzeit sollten wir uns keine Illusionen machen: Die Besetzung Taiwans diente imperialistischen Zielsetzungen und nicht etwa einer frühen Form der Entwicklungshilfe. Wer sich nicht unterordnete, musste mit drakonischen Strafen rechnen. Auch Zwangsprostitution und Zwangsarbeit waren durchaus keine Seltenheit. Nichtsdestotrotz bildet die Sonderbehandlung Taiwans zur Kolonialzeit die Grundlage für die heutige Beziehung.

Auch in architektonischer Hinsicht hat Japan seine Spuren in Taiwan hinterlassen: Besondere Beispiele sind das Regierungsgebäude der Taihoku-Präfektur, das Taiwanesische Nationalmuseum oder das Oberste Gericht in Taipeh, welche ihrerseits von westlicher Architektur inspiriert waren, aber doch eine eigenejapanische Handschrift tragen, die man auch an Regierungsgebäuden in Tokyo wiedererkennt. Es gibt darüber hinaus aber auch traditionelle japanische Architektur in Taiwan, wie zum Beispiel den Touen-Schrein in Taoyuan. Es ist sehr spannend, die entsprechende Formensprache der Architektur in Japan und Taiwan zu vergleichen: Wie wurden westliche Elemente adaptiert? Welche chinesischen Einflüsse finden sich in Japan? Wie wurden diese weiterentwickelt und fanden in der Kolonialzeit ihren Weg nach Taiwan?

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監察院 Control Yuan - Chi-Hung Lin (Quelle)

In der heutigen Zeit ist Umfragen zufolge Japan das beliebteste Land in Taiwan. Von japanischer Küche, über Manga und Anime bis hin zu J-Pop - Japanische Kultur ist ein Exportschlager! So schließt sich der Kreis wieder: Nachdem Japan über Jahrhunderte vom chinesischen Kulturkreis gelernt hat, zu welchem Taiwan spätestens seit der Herrschaft der Qing-Dynastie gezählt werden kann, wurde die Insel im Gegenzug von Japan modernisiert und ist heute einer der Hauptmärkte für japanische Popkultur.

Mit dem steigendenEinfluss Chinas im Südchinesischen Meer wird eine weitere Annäherung der beiden Inselstaaten auch auf politischer Ebene wahrscheinlicher: Die japanische Regierung strebte schon Mitte des vergangenen Jahrzehnts eine stärkere politische Allianz nach Vorbild des amerikanischen US-Taiwan Relations Act an. Mit dem sich auch in Hong Kong immer weiter ausstreckenden Arm der Chinesischen Zentralregierung werden solche Überlegungen zunehmend naheliegender.

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Yomeimon (Gate of Sunlight), Nikkō Tōshō-gū - Ray in Manila (Quelle)

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